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Thüringer Küche im Busch von Australien in Cooktown

01.01.2015 Cooktown / Australien / S15°28’10.4“ E145°15’23.1“

Wir sind in Cooktown. Hoch oben im östlichen Norden Australiens. Auf der Kap-York-Halbinsel. Mit seinen 1.600 Bewohnern im Ort und etwa 4.000 im Umland, ist Cooktown die nördlichste Stadt der australischen Ostküste. Nach Cairns, der 134.000 Menschen zählenden Stadt, ist man vier Stunden mit dem Auto durch den Dschungel, auf einer inzwischen guten Straße, unterwegs.
Bis vor nicht allzu langer Zeit, lies sich der Ort nur per Allrad getriebenem Geländewagen, per kleinem Flieger, oder einem Schiff erreichen.
1770 landete James Cook mit seinem Schiff, der „Endeavour“ hier oben. Es war am Great Barrier Reef leck geschlagen und musste repariert werden. Die Bedingungen zum Anlanden waren an der Mündung, des später nach dem Schiff benannten Flusses, „Endeavour River“ optimal. Zwei Monate verbrachten James Cook und seine Besatzung in der Gegend, um sein Schiff, für die Weiterreise, wieder flott zu machen.
Ungefähr Einhundertzehn Jahre später entdeckten findige Leute in der Gegend Gold. Es sollte sich als das größte Goldvorkommen des Bundesstaates Queensland herausstellen. Und zog folglich massenhaft Goldsucher, darunter viele Chinesen, an. Dreißigtausend Mann lebten in diesen Tagen in Zelten. Aus denen sich bald eine Stadt entwickelte. „Cook’s Town“ nannten die Leute den Platz, der später den Stadtnamen „Cooktown“ erhielt.
Heute spüre ich von diesem einstigen Trubel nichts mehr hier. Ein Denkmal, für den das Land betretenden James Cook, und ein Museum sind alles, was mir bisher, die Vergangenheit betreffend, ins Auge fiel.
Doch das stört mich nicht. Es ist geradezu traumhaft, mich selbst in diesem Zipfel des riesengroßen Landes, ja Kontinents zu wissen. Wie ein Schlupfwinkel kommt er mir vor. Wenige Leute begegnen einem hier. Und wenn, dann kennen sie einander. Es hat etwas von einer Kommune. Man ist hier oben in der Krankenstation angestellt, wie Kati, oder Rancher, wie Robi. Eine Familie führt die Post. Eine andere kümmert sich um den kleinen Flugplatz. Bin ich hier, kommt es mir vor, als lebten wir noch immer in den Zeiten der Neusiedler. Möchte hier jemand sesshaft werden, muss er sehen, wozu er gebraucht werden könnte. Fischen, geht allemal.
Wir zwei sind heute allein Hüter des Häschens, mitten im Dschungel.
Zum Frühstück kommt eine Kängurumutter mit ihrem Jungen vorbei. Sie leben gleich hinter dem Haus im Wald. Haustiere quasi. Ein wilder Truthahn raschelt stundenlang im trocknen Laub. Käfer, von der Größe einer Streichholzschachtel, kommen vorbeigebrummt. Wir sitzen zwischen Bananenpflanzen, Papayas und den stärksten Überresten an Dschungelbäumen, die der Zyklon vor zwei Jahren nicht umhauen konnte. Kein Blatt war mehr an den Bäumen, kleinere Äste gab es nicht mehr. Noch heute kann ich sehen, wie sich aus dicken Stämmen allmählich neue dünne Äste hervor wagen.
Robi und Kati überstanden den Zyklon in einem gemauerten Haus. Mit den Köpfen unter Matratzen. Ein Vorsichtsmaßnahme, die helfen sollte, weiter Atemraum zu haben, falls das Haus über ihnen einstürzen sollte. Sie kamen mit einem riesengroßen Schrecken davon, als sie nach Stunden des D-Zug lauten Fauchens ans Tageslicht zurückkehrten. Die Straßen, meterhoch voll Laub und umgerissener Bäume. Der Ort, ein Platz der Geister.
So nah liegen das Paradies und der Abgrund beieinander. Sie sind ein und dasselbe. Zweimal ein Augenaufschlag. Der wie auf einer Kindermaltafel mit jedem darüber wischen, das vorhergehende Bild auslöscht und Platz für ein Neues schafft. Mal hell, ein andermal düster.
Leben, wo das Paradies wohnt, hat trotzdem seinen Alltag. Robi ist dabei, Kati und die kleine Tochter Emma aus Cairns abzuholen. Ein Tagesjob. Vierstunden hin und auch wieder zurück. Blöd, wenn einem dann auf halbem Wege einfällt, dass man Butter vergessen hat, einzukaufen. Nein, ganz so dramatisch ist es nicht. Cooktown hat seinen eigenen Supermarkt. Doch für die meisten Besorgungen ist tatsächlich Cairns der nächste Anlaufpunkt.
Wir beschließen zu kochen. Und zwar das, wonach meine Geschmacksknospen seit Wochen ihre Fühler ausstrecken. Selbst gemachte Thüringer Klöße. Schmorkraut, nach dem ostpreußischen Rezept meines Vaters. Dazu einen Truthahn, von Robi erjagt.
Für mich eine Prämiere. Als Kind sehe ich mich an der Schleuder meiner Oma stehen, wie sie dabei ist, die geriebenen Kartoffeln auszuschleudern, um Wasser und Stärke aufzufangen. Ich selbst habe bisher immer den Weg in den Supermarkt gewählt, und die Fertigmasse in meinen Korb gelegt. Neun Zeitzonen weit ist der Markt gerade. Die super Gelegenheit, die ersten Klöße meines Lebens selbst zu kreieren.
Schmorkraut, damit kenne ich mich aus. Meine Leibspeise, wenn die Winterzeit naht. Und auch große Vögel habe ich des Öfteren als Genusswunder auf den Tisch gebracht.
Also einen Tag lang schälen, schaben, marinieren, füllen, würzen, schneiden, anbraten, ausdrücken, umrühren, kochen, braten, wenden, befeuchten, andicken, abschmecken, ziehen lassen. Und dann: Tatatata, das Gelage ist angerichtet, die Drei kommen müde von ihrer langen Tour. Optimales Timing. Zu Fünft inmitten des Dschungelkonzerts der Dunkelheit. Was für eine Geräuschkulisse, für unser gemeinsames Mahl. Das Erste im neuen Jahr.
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Ich schreibe einfach mal auf, wie wir unser Essen zubereitet haben.
Hier das Rezept

 

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