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„Ni chifan le ma?“ / „Have you already eaten?“

18.09.2015 Lijiang / China / N26°52’40.0“ E100°14’13.4“

„Ni chifan le ma?“ sagt man in China zur Begrüßung, wenn man einem guten Bekannten begegnet. Was so viel heißt wie: „Hast Du schon gegessen?“. Kein „Hallo“ oder „Wie geht es Dir?“. Dabei bedeutet die Begrüßungsfrage nicht in jedem Fall, dass man zusammen essen geht. Doch ich finde, sie macht deutlich, welche Rolle das Essen in China spielt. Das Essen und gemeinsame Sitzen am Tisch ist einer, wenn nicht DER zentrale Punkt im Umgang der Chinesen miteinander. Kommen Chinesen in einer größeren Runde zusammen, bestellt einer für alle. Was heißt, dass der Einladende verschiedene Speisen ordert, die dann nacheinander auf kleineren Tellern und in Schalen in die Mitte des rundenden Tisches gestellt werden. Ein großer Pott Reis wird dazu gegeben und los geht es. Jeder bedient sich von allem. Dabei hilft, dass oft der mittlere Teil des Tisches drehbar ist, so dass jeder gut an alle Speisen gelangt. Manchmal ist es eine kleine Akrobatik Übung, mit den Stäbchen die mitunter glibberigen Häppchen zu erhaschen. Doch ich finde diese Art des gemeinsamen Essens wunderbar. Ich fühle mich dann immer sehr mit allen am Tisch verbunden. Es macht für mich einen großen Unterschied, ob sich jeder sein eigenes Essen bestellt und beim Essen mit seinem Blick auf seinen Teller fokussiert ist, oder ob sich die Blicke aller miteinander verbinden, kreuzen, überschneiden, mischen, da alle in Interaktion miteinander stehen. Andi beweist immer wieder aufs Neue, dass er ein gutes Händchen beim Ordern der Speisen hat. Ich glaube er hat ein Gespür dafür, was unsere Gaumen freudvoll kitzeln könnte. Drei Regionen Chinas haben wir inzwischen gestreift. Die „Innere Mongolei“, „Shaanxi“ und „Sichuan“. Von Norden bewegen wir uns über die Mitte Chinas allmählich Richtung Süden. China ist flächenmäßig annähernd so groß wie Europa. Das Land ist zerklüftet und nicht unbedingt leicht zu erfahren. Das führt dazu, dass jede Region ihre ganz eigene Küche, ihre ganz individuellen Speisen und Rezepte ihr Eigen nennt. Vermischungen gibt es wenige. Aufgrund der großen Distanzen und Identitäten mit der jeweiligen Region und deren Gepflogenheiten. In den einzelnen Gebieten gibt es dann noch einmal Untergruppen. So hat allein die Küche der „Han-Chinesen“, zu denen neun von zehn Chinesen zählen, acht ganz unterschiedliche Schulen des Kochens. Sie nennen sich „Chuan“, „Hui“, „Lu“, „Min“, „Su“, „Xiang“, „Yue“ und „Zhe“, und weisen alle unterschiedliche Charaktere auf. Um das Ganze etwas zu vereinfachen, unterteilen die Chinesen ihre Kochtraditionen dann jedoch gern in die der vier Himmelsrichtungen. Im trockenen Norden wächst das Korn des Landes. Der Süden hat die Aromen. Der Westen rühmt sich mit seiner feurigen Schärfe und der Osten hebt besonders die Frische seiner Zutaten hervor, da das Land auf Grund der vielen Flüsse gut bewässert und somit fruchtbar ist.
Heute Mittag finde ich besonders lecker, wie die frittierten Gemüse die Aromen aufgesogen haben, die als Erstes in dem heißen Öl erhitzt wurden. Das ist überhaupt etwas, was ich gern übernehmen werde. Die Aroma gebenden Gewürze, wie ganze Pfefferkörner, komplette Knoblauchzehen, Koriander und Co werden zuerst im Öl angebraten, so dass sie die Chance haben, ihre Köstlichkeit im Öl zu ergießen. Und erst danach das jeweilige Gemüse oder Fleisch hinzuzugeben. Gemischt wird hier wenig. Jedem Gemüse, jeder Frucht wird ihre Eigenart zugestanden und bekommt ihre Würdigung, indem alles einzeln gegart wird. Die Mischung kommt dann in meiner Schale zustande, in der ich immer wieder neue Kombinationen zusammenstelle. Mal kommen die pikanten Auberginen mit dem krossen Koriander hinein, mal die saftigen Tomaten zusammen mit den knackig grünen Bohnen. Das „Salz“ bei alledem sind die verschiedensten Gewürze. Eine Bohne ist hier nicht einfach eine Bohne. Sondern ein Fest für meine Geschmacksknospen.
Abends sitzen wir heute alle miteinander in der zum UNESCO – Weltkulturerbe erhobenen, achthundert Jahre alten Stadt „Lijiang“, um den brodelnden und dampfenden „Hot-Pott“ herum. Abwechselnd werfen wir Lotus Scheiben, scharf Tofu-Streifen, unterschiedlichste Pilze und Kräuter in die blubbernde Brühe, um sie kurz darauf wieder mit unseren Stäbchen heraus zu angeln. Dabei waren wir doch heute Mittag der Meinung, nichts zum Abend essen zu wollen, da wir satt sein würden vom reichlich leckeren Lunch. Doch wie an jedem Abend, riecht es auch heute um uns herum so anziehend, dass wir nicht anders können, als uns mit Stäbchen auszurüsten und zu kosten, was das Zeug hält.
An meinem Finger trage ich dabei meine neue Errungenschaft. Eine einzige kleine Sache wollte ich mir auf der Reise gönnen. Einen Ring als Erinnerung. Irgendwie besonders sollte er sein. Heute nun haben wir ihn gefunden. Lijiang ist die Stadt der Silberschmiede, die in höchster Präzision ihre Kunst auf Armreifen, Kannen und Gefäße bringen. Seit vielen Jahren mag ich den Anfangsbuchstaben „E“ meines Namens sehr. Ich habe geradezu eine spezielle Beziehung zu ihm. So kam uns die Idee, das chinesische Schriftzeichen für die klangliche Übertragung des „E“ in einen Ring schlagen zu lassen. Zwei Mal hat der Silberschmied getestet, bis ihm und mir das Ergebnis gefiel. Dann hat er damit begonnen, das Zeichen mit feinfühligen, kurzen, gezielten Schlägen in das Stück Silber zu hämmern, was mein Ring werden sollte. Nun trage ich ihn am Finger und freue mich bis über beide Ohren.
Sten freut sich auch. Denn er kann ein akkurat, mit dem Stoff eines alten Parolen-Banners verschnürtes Paket sein Eigen nennen. Darin ruht ein massives Stück Holz, mit Schriftzeichen versehen. Eine geniale Holzarbeit, die ihren Platz einmal zu Hause finden soll.
Doch bis es soweit ist, fragen wir sicher noch einige Male: „Ni chifan le ma?“, „Hast Du schon gegessen?“.
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