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Mischtag / Mixed day

14.08.2015 Ulaan Bataar / Mongolia / N47°53’01.5“ E107°08’03.6“

Ein Kaleidoskop vor den Augen, laufe ich heute durch meinen Tag. Das erste Bild. Farbig zwar, doch mehr gedeckt gehalten. Werkstattatmosphäre. Der Leo übt noch immer seinen Stelzenlauf. Ein Akrobat der ganz speziellen Sorte. Wenig elegant, dafür umso bedachter in den Bewegungen. Die neuen Plattfedern lassen ihn springen. Später am Tag.
Das zweite Bild des Tages wirkt kühl und zugleich aufgeheizt. Es spielt sich ab vor der chinesischen Botschaft. Montags, Mittwochs und Freitags hat sie geöffnet. Jeweils von neun Uhr dreißig bis zwölf Uhr. Ein kleines hutzeliges Zeitfenster wenn ich bedenke, wie viele Menschen vor der Botschaft stehen. Wie zu einer Revolte scheinen die Massen sich versammelt zu haben. Junge Mongolen, die anstehen um zum Studium nach China reisen zu können. Ein beklemmendes, enges Gefühl beschleicht mich, wenn sich die Eisentür einen Moment lang spaltbreit öffnet, der Beamte sein mürrisches Gesicht kurz dem gleißenden Tageslicht aussetzt und genau eine Person es bei äußerst schneller Reaktion schafft, hindurch zu schlüpfen. Gleich darauf das gewaltige Zuschlagen der Tür. Die Menschenwolke wabert und empört sich. Doch das ist vollkommen egal. Wir sind quasi auf chinesischem Territorium, da gelten eigene Regeln. „Man muss ja nicht nach China reisen“, scheint die Botschaft der Mitarbeiter zu sein. Als wir es endlich schaffen, in das Innere des Botschaftsgebäudes vorzudringen, finden wir uns an einem Schalter wieder, auf dessen gegenüberliegender Seite eine korrekt ernst blickende Dame sitzt die unverständliche Worte in ein Mikrofon nuschelt, deren Sinn wir durch die technische Verzerrung einfach nicht vernehmen können. Ungehaltenheit auf der Seite der Dame, Unverständnis auf der unsrigen. Wir bitten um zügige Bearbeitung, da große Zettel am Eingang dafür Werbung machen. Sozusagen als DEN besonderen Service. Doch die verzerrt klingende Damen-Antwort lautet: „Keine Expressbearbeitung für Deutsche!“. Alles klar. Ob wir unsere Visa für China am nächsten Mittwoch erhalten werden wissen wir nicht. Vielleicht fehlte auch noch irgendeine Angabe auf unseren Anträgen? Dann werden wir das in fünf Tagen unwirsch mitgeteilt bekommen.
Ach, da drehe ich gern weiter an meinem Kaleidoskop. Das nächste Bild ist leuchtend hell. Rot und Gelb, gespickt mit etwas Gold. Vor uns die größte stehende Buddha Statue, die es weltweit geben soll. Sechsundzwanzig Meter hoch ist sie. In einem Tempel des Gandan Klosters steht der Buddha. Zu Sowjetzeiten war sie als Symbol des religiösen Endes eingeschmolzen worden. Dank vieler Spendengelder konnte sie 1991 wieder neu entstehen und lässt heute ihre Besonnenheit auf uns strahlen. Ich stehe davor und werde ruhig. An der linken Seite beginnen wir durch den Tempel zu laufen. Dabei die Gebetsmühlen drehend. Im Bauch einer jeden liegt ein Papier mit einem aufgeschriebenen Gebet. Drehe ich die Mühle, ist es, als spräche ich das Gebet. Wir bringen die Mühlen in Schwung, so dass sich ihre Energie bis nach Deutschland entfalten kann. Dorthin, wo unsere Paula heute ihren Geburtstag feiert.
Im Tempel die vollkommene Harmonie. Stimmig die Geschichten erzählenden Verzierungen im Holz, das gedämpfte Licht setzt vorsichtig Akzente. Es riecht nach Harmonie und Wohlwollen. Meinen ersten Schritt nach draußen mache ich auf wackeligen Beinen. Nicht nur wegen der Sonne die blendet. Auch der Spielplatz aus Plastikelementen und die Glasfassaden der Hochhäuser, gleich hinter den Tempeldächern, irritieren für einen Augenblick meinen Empfindungsfluss.
Eine Vierteldrehung weiter am Kaleidoskop finden wir uns im Licht der untergehenden Sonne wider. Gemeinsam mit Eljas. Er ist Mongole, stammt aus Khovd-DundUs, hat gerade sein Studium in Boston beendet und arbeitet seit zwei Wochen hier in Ulaan Bataar für eine amerikanische Investmentfirma. Gemeinsam sitzen wir im „Irish Pub“, trinken deutsches Weizenbier zu mongolischem Beef und fliegen gedanklich gemeinsam ein Mal um die ganze Welt.
Das Kaleidoskop geschüttelt, gedreht und ins Licht gehalten. Ein bunter Tag, gefühlvoll abgemischt mit farbigen Tupfern. Nun löschen wir das Licht. Schwarz. Gute Nacht.

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