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Hochzeit in Chiwa / Wedding Party in Chiwa

02.05.2015 Usbekistan / Chiwa / N41°22’50.7“ E060°21’29.4“

Sommer! Sommer! Sommer! Ich kann es nicht oft genug ausrufen! Ich springe, reiße die Arme in die Luft und freue mich von Mundwinkel zu Mundwinkel. Wir sind im Sommer angekommen! Hier sind die 33 Grad wohl erst der Frühling. Doch in meinem Herzen kommen Licht und Wärme an, die mich beglücken! Der Morgen hält wieder einen Abschied für uns bereit. Es sind Bakhitjan und seine beiden großen Kinder, die zu unserem Leo gekommen sind, um „Lebe wohl“ zu sagen. Wir wünschen ihnen Glück für ihre Familie, und hoffen für die Region, dass die Folgen der Aralsee Katastrophe kein fortschreitendes dramatisches Ausmaß annehmen. Sondern der mutige Einsatz und die klugen Gedanken der Menschen helfen, der Gegend Lebensqualität zu geben.

Staub durch seine Straßen wirbelnd, verabschiedet sich die Stadt Nukus von uns.

Langsam, ganz langsam setzen wir unsere Fahrt fort. Im Schritttempo bewegen wir uns vorwärts, um den noch immer angeschlagenen Leo zu schonen. Wir bitten ihn, uns durch das Land zu führen. Das Tempo spielt für uns dabei keine Rolle. Wir halten alle fünfzig Kilometer an, machen eine „Abkühlpause“ und tuckern anschließend gemächlich weiter. Es fühlt sich an wie ein Spaziergang. Eigentlich sehr schön. Die ausgedehnten Wüstenfelder ziehen gemächlich an uns vorbei und verströmen eine Ruhe, die von viel Gelassenheit kündet. Ganz anders der Wind. Er faucht und wütet und tollt umher. Bläst Sand in die Luft, in unsere Augen und über die Piste. Er ist das Ungestüm, der unruhige Geist. Ein Wirbelwind. Wir überqueren eine Brücke. Groß und breit ist sie und überspannt den Amurdaja. Hier, gut einhundertfünfzig Kilometer von Nukus entfernt ist er tatsächlich noch der mächtige Strom, der sich gemächlich in seinem Bett aalt. Er gibt sein Bestes und schenkt der Gegend Fruchtbarkeit. Und so wird es von Kilometer zu Kilometer grüner, üppiger, saftiger um uns herum. Ich freue mich für die Menschen die hier leben, und bin gleichzeitig erfüllt vom Mitleid mit denen, die weiter nördlich nichts mehr von den prächtigen Lebenssäften abbekommen. Ein großes Kanalsystem versorgt im Gebiet um Chiwa die Felder und Gärten. Die Menschen machen einen sommerlich frischen Eindruck auf mich und irgendwie kommt es mir vor, als blättere ich in einem meiner alten Kinderbücher herum. Rotbackige Kinder sehe ich da. Bunt gekleidete Frauen, die lachend und schwatzend am Wegesrand stehen. Felder, die beginnen zu grünen und den Bäumen nacheifern, die schon in ihrer vollen Pracht erstrahlen. An der alten Stadtmauer Chiwas machen wir Halt, um zu überlegen, wie wir den Abend verbringen möchten. Da klingelt unser Telefon und Hannelore von der GIZ in Chiwa lädt uns ein, mit ihr und ihrem Mann Helmut zu einer usbekischen Hochzeit zu gehen. Wir lieben es. Die spontanen Wendungen, die unerwarteten Überraschungen, die uns immer wieder begegnen. So sind wir begeistert und sitzen Minuten später bei den beiden im Auto, um gemeinsam zur Hochzeit zu fahren. Hannelore und Helmut Bedsen engagieren sich hier in der Tourismusförderung. Sie unterstützen die einheimischen touristischen Anbieter darin, ihre Angebote attraktiver und bekannter zu machen, um so besser von dem zu leben, was sie da tagtäglich leisten. Schätze gibt es hier viele zu heben. Chiwa hat eine Altstadt, die für uns das wahr gewordene Märchen aus „Tausend und einer Nacht“ ist. Ich muss mich kneifen, um zu begreifen, dass ich selbst gerade durch dieses Märchen laufe.

Zurück zur Hochzeit. Ein Saal voller runder Tische und lila eingekleideter Stühle mit großen weißen Schleifen erwartet uns. Eine Seite der Tische ist für die Frauen bestimmt, die andere für die Männer. Über Stunden hinweg werden immer wieder Kleinigkeiten zum Essen aufgetragen und wir probieren uns durch all die Salate, Suppen und Gemüse hindurch. Lange dauert es bis das Brautpaar, oder besser die Bräute erscheinen. Und das läuft so ab. Mit tief gesenktem Kopf betritt die Braut am Arm ihres Bräutigams den Saal. Sie schaut traurig und demütig zum Boden. Immer wieder verbeugt sie sich, ohne auch nur für eine Sekunde den Blick zu heben. Hochzeit. Die „hohe Zeit“ löst hier in mir ganz andere Empfindungen aus, als es in unseren Breiten der Fall ist. Die Braut wohnt ab nun im Haus ihres Mannes und ist dort für den Haushalt und das Versorgen der Schwiegereltern zuständig. Die eigenen Eltern darf sie für lange Zeit nicht treffen und wenn, dann nur unter Begleitung der Schwiegermutter. Das Paar kennt sich kaum und so kommt eine große Umstellung auf die Braut zu. Sie tritt ein in eine ihr bis dahin vollkommen fremde Welt und kann nur hoffen, dass ihr Mann und die Schwiegereltern gut zu ihr sind. Das alles geht der Braut vielleicht nun auch durch den Kopf. Während sie, den weiteren Abend hindurch, stumm neben ihrem Mann sitzend zuschaut, wie die Gäste tanzen, essen und Reden halten. Ich sagte Bräute. Ja, da ist noch eine Zweite. Am anderen Ende des Saales sitzt mit genau dem gleichen gesenkten Blick ein junges Mädchen allein in ihrem Hochzeitskleid. Für sie ist es der Junggesellinnen Abschied. Auch sie sitzt den ganzen Abend schweigen da und schaut zu, wie sich alle anderen amüsieren. Vor ihren Augen tanzen ihre Freundinnen und feiern. Die Hochzeit dieses jungen Mädchens findet morgen statt. Sie wird dann wohl genau so dasitzen. Mit dem Unterschied, dass ihr Bräutigam dabei ist.

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