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Frau Sommer / Miss Summer

29.08.2015 Erdene / Mongolia / N44°22’11.9“ E111°03’28.6“

Wie von einer Hand wird die Mongolei umschlossen. China ist wie eine Schale in der die Mongolei ruht. Den Hut bekommt das Land von Russland aufgesetzt und noch nen Seitenwagen angehängt. Das ist dann Kasachstan. Die Mongolei ist groß. Generell sind hier im Osten die Länder alle an Fläche gesegnet. Mächtige Zahlen an Quadratkilometern begleiten uns seit Monaten. Städte liegen meist weit voneinander entfernt. Dazwischen Land, viel Landschaft, selten Landwirtschaft. Ich stehe vor unserer Landkarte und ziehe mit meinen Augen unsere zurück gelegte Strecke noch einmal nach. Jeder Zentimeter pures Leben. Ich stehe davor und habe doch das Gefühl als habe ich die Mongolei im Rücken. Als setze ich sie auf wie einen Rucksack. Als nähme ich sie mit. Nicht als Bürde oder Last. Mehr als Halt und innere Freude. Mein eigenes kleines Erinnern. Was es ist, kann ich nicht sagen. Warum geht mir das Herz auf, wenn ich auf einem Hügel stehe und in ein vermeintliches Nichts schaue? Dieser Raum vor mir ist angefüllt mit allem. Ich bin erfüllt, versuche mich selbst zu verstehen. Es will nicht gelingen und soll wohl so sein. Das Glück braucht keine Erklärung, keine Begründung. Und Nachfragen ob des Warums braucht es zu allerletzt. Festhalten möchte ich heute jeden Meter, tief in mich aufsaugen jede Sekunde. Und doch wird mir genau darin seine Vergänglichkeit bewusst. „Halte nicht fest, lass los, lass frei, nimm es mit und lasse es doch zurück“, ist, was ich mich selbst sagen höre. Irgendetwas ist anders heute. Liegt es an uns? Sind wir auf „Abschied“ eingestimmt? Melancholie liegt in der Luft. Wie sie dastehen, die drei Frauen vor dem kleinen Laden im letzten Örtchen, hier ganz im Süden der Gobi. Gerade eben haben wir ihnen noch einen Saftkarton abgekauft. Nun stehen sie da. Mit ihren Strümpfen in Gummisandalen, vom Regen getränkt. Der nasse Sand spritzt an ihre Beine. Doch ihre Arme winken uns zu. Zum Abschied. Der große Himmel ist noch stiller als sonst. Am Morgen sticht die Sonne auf uns herab und verschlingt den Regen der letzten Nacht. Zu schwer scheinen die Tropfen zu sein. Als habe sich der Himmel daran überhoben. Also alles auf Anfang. Der Regen kommt wieder nach unten. Er bringt Wind mit und Kühle. Vorboten des Herbstes. Nein, die Mongolei ist keine Zuckertüte. Da steckt ganz gewaltig was an Heftigkeit dahinter. Wir ahnen es jeden Tag ein klein wenig mehr. Noch ringen Sommer und Herbst miteinander. Noch behält Frau Sommer an jedem Tag die Oberhand. Doch der Ausgang des Kampfes ist schon vor dem aufeinander Treffen der Kontrahenten klar. Herr Herbst zeigt sich noch gnädig. Doch bald wird ihm die Hutschnur reißen, dann ist genug mit Freundlichkeit und Vortritt lassen. Dann wird er ans Ruder treten. Ich kann ihn auch verstehen, dass er es eilig hat. Denn seine Tage sind gezählt. Vater Winter ist es, der ihm schon nach wenigen Wochen den Rang ablaufen wird und lässig winkend in seiner Massigkeit vom Siegerpodest herabblicken wird. „War ja klar“, wird er denken und sich monatelang aalen in seinem Siegestaumel. Er kann sich Zeit lassen. Davon hat es genug. Doch irgendwann wird Vater Winter zu übermütig in seinem Machtanspruch. Dann kommen junge neue Kräfte hervor, die nach Erneuerung, nach Veränderung lechzen. Ihr Sehnen ist groß, verleiht ihnen Kraft. Vom Winter belächelt gewinnen sie Zentimeter für Zentimeter in einem Anfangs ungleich wirkenden Gerangel. Verwöhnt vom Sieg, müde von den ersten Niederlagen, zieht er sich mehr und mehr zurück, unser Vater Winter. Er legt sich schlafen, ruht sich aus, sammelt neue Kräfte und lässt die Jungen gewähren. Die laufen sich schnell ihre Hörner ab und überreichen Frau Sommer ein leuchtend frisches, quicklebendiges Land. Auf dass sie sich darin wohl fühlen kann. Als Dank schenkt sie Schönheit und Milde. Doch Obacht ist gefragt. Die Herren testen sie gern einmal. „Hat sie genügend Power oder können wir ihr mit nem Hagelschauer in die Quere kommen?“ Sie nimmt es gelassen. Sollen sie doch Hageln. Sie lässt mit ein paar Strahlen schnell ungeschehen aussehen. Über Wochen hinweg. Es ist Ende August. Nun wirkt sie erschöpft, ist es leid, die Spielchen auszumerzen. Täglich schwindet ihr Wille ein klein wenig mehr. Also lässt sie heute den Regen Regen sein, die kühlen Temperaturen ebenso. Kleiner Schwächeanfall. Wir verzeihen ihr gern. So lange wir da sind, scheint sie sich noch nicht geschlagen geben zu wollen. Wir schätzen ihr Bemühen und freuen uns auf die Sonne von morgen.
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