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Entscheidende Entscheidung / Important decision

09.08.2015 Arvaikheer / Mongolia / N46°13’00.4“ E102°42’43.2“

Kamele begleiten uns heute und Pferde. Mal mehr, mal weniger lebendig. Würdevoll stehen die Kamele vor uns und klimpern mit ihren ach so langen Wimpern. Ich mag die Tiere. Viel Selbstbestimmtheit geht von ihnen aus. Wenn sie wollen, tun sie das Eine, wenn nicht, lassen sie das andere. Langsam in ihren Bewegungen. Schritt für Schritt, ohne Hast und Eile. Ganz anders die Pferde. Sie scheinen immerzu in Bewegung zu sein. In großen Herden galoppieren sie bebend übers Land. Der Inbegriff von Freiheit, wie mir scheint, wenn ich sie mit ihren wehenden Mähnen dahin fliegen sehe. Mitunter bleiben sie vor uns auf der Piste stehen, stecken ihre Köpfe zusammen und schützen sich auf diese Weise vor den Mücken und Fliegen, die es auf sie abgesehen haben. Wie kleine Verschwörungsbesprechungen sieht es aus, wenn sie im Kreis zusammen stehen, ganz dicht, Kopf an Kopf. Nur unser eindringliches Hupen kann sie dann bequemen, einmal kurz ihre Hälse zu strecken um nachzusehen. „Na gut, reden wir drei Meter neben dem Weg weiter“, scheinen sie uns entgegenzurufen, während sie die Bahn räumen. Herrlich, ihr Ungestüm. Nachmittags dann ein Tempel, einzig den Pferden gewidmet. Die blauen Himmelsbänder umwehen den gesamten Platz. Kunstvoll gefertigte Pferdeplastiken stehen im Mittelpunkt der Szenerie. Es sind die Portraits der siegreichsten Pferde. Das Reiten, der Sieg beim Turnier, ist für die Mongolen von großer Bedeutung. Sie scheinen mit ihren Pferden verwachsen zu sein. Eine untrennbare Einheit, Reiter und Pferd. Hier her kommen sie vor einem wichtigen Rennen, um sich Kraft zu erbitten und Beistand. Und nach dem Lauf, um ihren Dank kund zu tun. „Reiten liegt ihnen einfach im Blut“ denke ich, als abends ein Mann auf seinem Pferd in der ihn verschlingenden Dunkelheit auf unser Lager zugeritten kommt. Schemenhaft kann ich ihn sehen, die Staubwolke die er hinter sich her zieht wirkt imposant. Seine Frau und Tochter sitzen schon bei uns. Es sind die Bewohner der Jurte, gleich hinter dem Hügel. Ihre Herde zusammentreibend machten sie wie zufällig bei uns Halt und sitzen nun mit einem gefüllten Teller auf den Beinen an unserem Feuer. Kein langes Fragen, keine gezierte Zurückhaltung. Es ist Zeit zum Essen, es riecht gut, also setzt man sich ungefragt dazu und lässt es sich schmecken. Eine ganz unkomplizierte Weise und angenehm, weil es jeder bei jedem auf die gleiche Art tut. Der Mann springt von seinem Pferd, setzt sich in seinen derben Hosen und jahrelang getragenen Stiefeln zu uns auf den Boden und lässt sich gleich darauf seinen Kartoffel-Zwiebel-Fleischtopf schmecken. Seinen Geschmack scheinen wir, wie es scheint, getroffen zu haben. Gestenreich, mit wenigen Worten, unterhalten wir uns eine Weile, bevor die drei zu Pferd und Motorrad wieder verschwinden, um ihre Herde nun tatsächlich nach Hause zu treiben. Die Landschaft macht uns drei froh, heiter und entspannt. Gut, mit der Entspannung, da fehlt derzeit noch ein Meter. Doch wir sind unglaublich glücklich, auf diesem Flecken Erde zu sein. Wäre da nicht pausenlos dieses Hämmerchen in unseren Köpfen, welches unaufhörlich klopft. Sten hat heute keine Schmerzen. Das Antibiotikum scheint gute Dienste zu leisten. Doch eine Entscheidung muss her. Umringt von vielen Fragen. Ist es tatsächlich der Blinddarm, der entzündet in ihm herum hüpft? Wie finden wir einen Arzt, dem wir unser Vertrauen schenken? Auf welche Weise stellt er seine Diagnose? Und wenn er bestätigt, was nach allen Symptomen dafür spricht, wo würden wir eine Operation für vertrauensvoll halten? Wie sind die hygienischen Bedingungen die wir vorfinden? Wir können momentan immer nur das Eine tun. Uns auf dem schnellsten Weg Richtung Hauptstadt bewegen. Denn medizinische Versorgung ist nur dort zu finden. Parallel sprechen wir mit unseren Freunden in Deutschland. Sie sind Ärzte und geben uns hilfreiche Tipps und ihre mentale Unterstützung. Sie kümmern sich rührend um Stens Gesundheit. Wir danken es ihnen von Herzen. Zu Hause würde man vielleicht sagen: „Schön, wenn er sich erst einmal wieder beruhigt hat, dann warte ich einfach mal ab.“. Doch vor uns liegen China, Laos, Kambodscha… Und in keinem dieser Länder möchten wir erneut von einer Blinddarm Attacke heimgesucht werden. Keine leichte Entscheidung, die ansteht. Doch es muss eine her. Weg reden oder still schweigen hilft nicht. Wir haben den Asphalt erreicht. Das macht uns um Weiten schneller. Ulaan Bataar rückt in greifbare Nähe und in uns steigt die Zuversicht. Noch vierhundertfünfzig Kilometer bis zur entscheidenden Entscheidung.
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Kommentar

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    Hallo Ihr Drei,
    Wir hoffen sehr, ihr habt es inzwischen geschafft und Karsten ist medizinisch in guten Händen. Alles Gute und beste Grüße aus Dresden

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    Liebe Elke und Karsten,
    wegen des Blinddarms könnt Ihr Euch (vorab online) an die Deutsche Botschaft in Ulan Bator wenden. Zu deren Aufgaben gehört auch die Hilfeleistung gegenüber Deutschen im jeweiligen Land. Der Standard der medizinischen Versorgung sollte gut sein, google .
    Ich drücke Euch die Daumen!
    Liebe Grüße
    Uli


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