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Montagsgesicht / Face of Monday

16.11.2015 Phnom Penh / Kambodscha / N11°37’14.5“ E104°55’31.1“

Erst einmal ist jeder Tag einfach ein Tag. Er hat einen Namen. Der heutige zum Beispiel heißt Montag. Und ein paar Zahlen, die ihn näher bestimmen. Wir nennen es das Datum. Sechzehnter Elfter Zweitausendfünfzehn. Was in dem Tag steckt ist damit noch nicht gesagt. Wir können, je nach Region, ablesen, ob es eher ein kühler Tag werden wird, wie im November in Deutschland normal, oder ein Schwülwarmer, wie es für kambodschanische Novembertage üblich ist. Wenn der Tag „Montag“ heißt, mögen wir ihn manchmal nicht so sehr. Sonntage leben da eher in dem Ruf gemocht zu werden. Nun, in den vergangenen Monaten haben sich alle Montage mit mir gefreut. Jeder war mir lieb. Jeder Tag hatte die gleiche Chance besonders zu werden.
Wir geben dem Tag die Inhalte. Er überrascht uns mit seinen Zufälligkeiten. So bekommt er Kontur, fast als trüge er ein Gesicht. Bleibt die Frage, wie jeder von uns diesen Montag zeichnen würde? Mein Montagsgesicht hat androgyne Züge. Er heißt „der“ und ist auch „sie“. Ein wenig traurig schaut er, weil Götz heute abfliegt. Und Abschiede immer etwas Endgültiges haben. Sie beenden eine Phase. Schöne wie aufregende, wie schwierige. Setzen einen Punkt. Unsere Zeit war leicht und fließend. So ist der Blick meines Montags auch selig schmunzelnd. Der letzten zwei Wochen erinnernd. Falten sehe ich auf seiner Stirn. Ein paar. Sie geben den Zügen Reife und Tiefe. Ernsthaftigkeit huscht darüber, wenn er an das denkt, was er von Europa so alles hört. Er beschließt, es nicht so sehr an sich heran zu lassen. Er will ganz und gar hier sein. Denn nur das kann er wirklich erleben und in Teilen mit beeinflussen. Alles andere sind ernsthafte Geschehnisse. Ja, unbedingt. Aber auch viel kalkuliertes mediales Geschwafel mit teilweise riesengroßen schwerwiegenden Worten. Mein Montag verfällt am Morgen in die Schwermut der fernen Ereignisse und entscheidet sich dann doch für die Wahrnehmung um ihn herum. Das Ferne fern sein lassend. Das sehend, was vor seiner Nase auftaucht. Die Haare meines Montags sind länger. Sie sind wirr und wild, flattern umher. Ich sehe in ihnen Unmengen an Straßengeschäften, Werkstätten, Garküchen, fliegende Händler. Dazwischen toben haufenweise Menschen herum, kurven Mopeds durch die Gegend, hebt auch ein Flugzeug ab. Das ist der Flieger von Götz, der heute seine Schritte gen Heimat lenkt. Wir stehen winkend am Eingang des Flughafengebäudes und bleiben noch immer. Obwohl er nun bereits das zweite Mal abfliegt. Der Flieger MIT Götz und OHNE Sten und mich. Unser Montag hat anderes vor. Er führt uns nach Phnom Penh. Mit zwei Millionen anderen teilen wir uns den Weg. Im Gesicht vom Montag sehe ich Gelassenheit. Genau so wie in denen um uns herum. Die Straßen sind voll. Und doch strengt uns das Durchfahren der Stadt weniger an als in anderen Ländern. Bei aller Enge, trotz allem Hin und Her, nehmen die Leute Rücksicht aufeinander, halten an, gewähren Vorfahrt. Trotzdem ist es ne heiße Kiste, durch den Innenstadtverkehr Phnom Penhs zu zuckeln. So extrem dicht kreuzen die Mopeds, beladen mit allem was geht, wenige Zentimeter vor unserem Leo. Sämtliche Schutzengel sind im Einsatz. Gebraucht wird jeder Flügel. Gebräunt ist das Gesicht meines Montags. Sein Leben findet fast ausschließlich im Freien statt. Der sonnenbeschienene Himmel ist seine Zimmerdecke. Rückzug in abgeschlossene Räume kennt er kaum. Selbst seine Hängematte hängt er lieber von Pfeiler zu Mast, als dass er im stickigen Dunkel seine Nacht verbrächte. Er legt sich zur Ruhe. Zufrieden mit dem, was aus ihm heute geworden ist. Am Morgen war ihm lediglich der Stempel „Abflug“ aufgeprägt. Doch die Vielfalt hat sich wie von selbst in sein Gesicht gewoben. So sah mein Montag aus. Und Deiner?
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