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Haus am See / House in the lake

18.05.2015 Kapschagaj-Stausee / Kasachstan / N43°51’09.7“ E077°52’15.5“

 

Wolken beobachten. Wann bleibt dafür schon einmal so richtig Zeit? Nicht nur für einen Moment. Nicht nur verbunden mit dem kurzen Ausruf: „Guck mal, da!“. Wir stehen mit dem Leo noch immer im weiten gelben Steppengras und nennen es „die freien Tage“. Wegen des Getriebes, welches geschont werden muss, und auf Ersatz wartet, können wir uns gerade nicht weit weg bewegen von Almaty. Doch sich in der staubig lauten und hektischen Stadt aufzuhalten, ist keine wirkliche Freude. Dem ziehen wir tausend Mal lieber einen Platz im Freien vor. Also gönnen wir uns, nicht weiter, immer weiter zu ziehen, sondern einfach zu bleiben. Schreiben und Lesen und Kochen und eben auch den Wolken in ihrem wirren Spiel am Himmel zuzuschauen ist, was unseren Tag ausmacht. Das Bild vor meinen Augen verändert sich von Stunde zu Stunde. Die Wolken reiben sich an den Bergen des Tien Shans. Sie stoßen an, blähen sich auf, machen Ernst, wie zum Spaß. Haben sie genug von all der Rauferei, ziehen sie ihrer Wege und lösen sich auf. Fäden von zartem Weiß zurück lassend. Sie gehen, wir bleiben.

Einen einzigen Bauern gibt es hier draußen. Sein Haus wohnt direkt am See. In dessen Rücken liegen die Berge. Dazwischen Steppengras. Einsam im Winter. Einsam im Sommer. Doch ein Platz zum Sein zu allen Zeiten. Die Schafe kratzt das trockene Gras an den Beinen, während sie suchend die immer gleiche Runde drehen. Der Bauer kommt vorbei gefahren, seine Frau bei uns vorbei gelaufen. Sehen, wer die neuen Nachbarn sind. Wir geben Brot mit, Bananen, Bier und Bonbons. In die Stadt kommen sie nur selten… Ich greife an meinen Armreif, den ich als Beschützer von Svetlana geschenkt bekommen habe, und sage „Danke“ für diesen stillen, doch so vergnügten Tag. Das Glauben und Hoffen und Wünschen und Danken begegnet uns allerorten. Ist es das kurze Innehalten und Beten beim vorbei Fahren an einem Friedhof, um der Toten zu gedenken. Sind es die Geistlichen, die einfach auf der Straße zu einem sprechen, um uns einen „Weißen Weg“, eine problemfreie Fahrt zu wünschen. Sei es das Pfeifen, was Männern in der Wohnung und Innenräumen untersagt ist, weil es Ungutes anzieht. Und tatsächlich ging es an der Grenze neulich endlich vorwärts, als Sten das Pfeifen einstellte… Da sind die Frauen mit den räuchernden Pfannen, die überall Zutritt haben. Egal, ob in einer Werkstatt oder dem Grenzkontrollhaus. Die schlechten Energien zu vertreiben ist überall wichtig. Wasser wird vor einer Brücke aus dem Auto gespritzt, um heil ans andere Ufer zu gelangen. Als Schutz vor dem bösen Blick gelten bei kleinen Jungen lange Zöpfe, Bänder an der Frontscheibe im Auto und alle möglichen hängenden Gebilde an den Eingängen von Höfen und Häusern. Als wir vor ein paar Tagen ein kleines Schnitzmesser verschenkten, wurden uns zwei Geldscheine dafür gegeben. Nicht, um das Messer zu bezahlen. Der Brauch sagt, dass ein geschenktes Messer nur im Stande ist seine guten Dienste zu leisten, wenn Geld dafür gegeben wurde. So bewegen wir uns mit einer ganz neuen Form der Achtsamkeit durch die Tage und bekommen ein zartes Gefühl, eine leise Ahnung davon, wie Hoffen und Wünschen und Bitten und Danken und Glauben der Boden und der offene Raum für Halt und Zuversicht sind.
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